Am 15. April 2023 eskalierten die Rivalitäten zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und der Rapid Support Forces (RSF) um die Aufrechterhaltung und Ausweitung ihrer Macht im Sudan zu einer offenen bewaffneten Auseinandersetzung mit weitreichenden Folgen auf das ganze Land. Auslöser für den brutalen Konflikt und die seitdem andauernde extreme Gewalt waren zunehmende Spannungen zwischen General Abdel Fattah al-Burhan, dem Befehlshaber der SAF, und General Mohamed Hamdan „Hemeti“ Dagalo, dem Befehlshaber der RSF, im Zusammenhang mit der Eingliederung der RSF in die regulären sudanesischen Streitkräfte im Rahmen eines politischen Abkommens, das die Einrichtung einer neuen zivilen Übergangsregierung zum Ziel hatte.
Seit den Auseinandersetzungen haben sich die Menschenrechtssituation sowie die wirtschaftliche und humanitäre Lage landesweit dramatisch verschlechtert. Innerhalb des vergangenen Jahres wurden bislang über 8,1 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen vertrieben. Davon flohen mindestens 1,8 Millionen Menschen in die Nachbarländer Tschad, Ägypten, Äthiopien, Südsudan, Libyen und die Zentralafrikanische Republik. Mit über 6 Millionen Binnenflüchtlingen innerhalb Sudan handelt es sich um die aktuell größte Binnenvertreibung weltweit.[1] Etwa 13.900 Frauen, Männer und Kinder sind seit Beginn des bewaffneten Konflikts getötet und über 27.000 verletzt worden.[2]
Dokumentierte Gewalttaten, darunter vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Objekte wie Schulen, Krankenhäuser oder humanitäre Einrichtungen, ethnisch motivierte Gewalt und die Behinderung von humanitärer Hilfe zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung stellen mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Seit dem Ausbruch des Konflikts ist das Risiko der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern durch die Streitkräfte deutlich erhöht.[3] Es gibt schockierende Berichte über gezielte und weitverbreitete sexualisierte Gewalt, insbesondere durch die RSF.[4] Im Juli 2023 gab der Internationale Strafgerichtshof bekannt, im Rahmen seines Mandats gem. Sicherheitsratsresolution 1593 (2005) nun auch Ermittlungen zu Taten im Zuge der aktuellen Kampfhandlungen eingeleitet zu haben.[5]
Die desolate Sicherheitslage, Plünderungen, schlechte Netz- und Telefonverbindungen sowie Mangel an Treibstoff, Bargeld, humanitärem Personal und Hilfsgütern vor Ort erschweren die Bereitstellung humanitärer Hilfe zusätzlich. Besonders in den Regionen Khartum, Darfur und Kordofan hat sich die ohnehin dramatische humanitäre Lage weiter verschlechtert.[6]Mit knapp 25 Millionen Menschen ist fast die Hälfte der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Laut World Food Programme sind rund 18 Millionen Menschen von akutem Hunger betroffen.[7] Gleichzeitig ist der humanitarian response plan der Vereinten Nationen für Sudan für das Jahr 2024 bislang nur zu 5,4 Prozent (Stand 1.4.2024) gedeckt.[8]
Die Mitglieder im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe verurteilen das schockierende Ausmaß an Gewalt und die Behinderung humanitärer Hilfe auf das Schärfste. Wir rufen die Konfliktparteien SAF und RSF zu einem sofortigen Waffenstillstand und einer friedlichen und nachhaltigen Konfliktbeilegung auf. Wir begrüßen die regionalen und internationalen Bemühungen und den Einsatz sudanesischer ziviler Kräfte zur Beendigung des Konflikts und der Wiederherstellung eines demokratischen Übergangsprozesses unter ziviler Führung – diese Bemühungen müssen bestmöglich aufeinander abgestimmt und forciert werden.
Wir fordern die Konfliktparteien nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass ein vollständiger, unverzüglicher, sicherer und ungehinderter Zugang für humanitäre Organisationen und Hilfsgüter ermöglicht wird, um dringend notwendige humanitäre Hilfe für die notleidende sudanesische Zivilbevölkerung zu gewährleisten und die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen fortzusetzen. Wir rufen die Konfliktparteien dazu auf, ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht, den Menschenrechten und der „Verpflichtungserklärung zum Schutz der Zivilbevölkerung des Sudan“ nachzukommen, die am 11. Mai 2023 von den Kriegsparteien in Jeddah unter Vermittlung von Saudi-Arabien und den USA unterzeichnet wurde.
Gleichzeitig appellieren wir an die internationale Staatengemeinschaft, diesem Konflikt mehr Aufmerksamkeit zu widmen und die dringend benötigte humanitärer Hilfe auch durch die Bereitstellung flexibler Gelder zu leisten.
Die vorstehende Erklärung wird getragen von den Mitgliedern des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Gruppe Die Linke.